Auf dem Festland gibt es Seen, im Wasser gibt es Inseln, 2008-2011, C-Prints, 10 x 16 cm bis 60 x 70 cm
Das Ich als Insel
Ein grünes Polster aus Kiefernnadeln auf nackten Knien, ein merkwürdiger Verhau aus Holz und Plastikfolien, der an die Gestalt von Häusern erinnert, ein unfertiges Boot aus Streichhölzern auf weißem Untergrund, eine Person in Rückenansicht, die in einem verschneiten Birkenwald verharrt… Wenn wir von einer Insel ausgehen, denken wir an ein Stück Land umgeben von Wasser, das nur mit einem spezifischen Transportmittel erreicht werden kann, dem Boot. Die Insel ist ein metaphorisch aufgeladener Ort. In Homers Odyssee wird sie wegen ihrer isolierten, schwer zugänglichen Lage häufig mit dem Zauberhaften verbunden.
Ganz ähnlich ist die Insel, von der Claudia Lindner hier berichtet keine geographische, sondern eine innere, ein imaginärer Ort, an dem das Ich auf sich allein gestellt ist und ein Du bestenfalls gedacht werden kann. Das Transportmittel, welches es uns erlaubt zu dieser Insel vorzudringen, sind die Bilder, die sie miteinander kombiniert.
Nun ist bereits in der Geschichte von Robinson Crusoe die Insel keine reine Natur, sondern eine Konstruktion von Natur und spätestens mit dem Auftauchen des Freitag wird diese Insel zur mikroidealen Gesellschaft inklusive Gottesglauben und Herrschaftsverhältnis, die zur »Zivilisierung« Freitags führen. Gelingt es uns als Betrachter auf ihre Insel mittels der Fotografien vorzudringen, um dort dem Prozess der Zivilisierung durch die Künstlerin unterworfen zu werden? Wohl kaum. Lindners Eiland ist wesentlich verwunschener, geheimnisumwobener. Es ist ein Ort der Stille und Kontemplation, in Abgrenzung zum Umgebenden, jedoch ohne die Welt zu vergessen.
Als temporären Rückzug kann man den Auslandsaufenthalt in Finnland lesen, aber natürlich schlägt die Künstlerin und Fotografin vor Ort Brücken, baut Schiffsrouten auf und ein Wegeleitsystem für diejenigen, die es erkennen können, für Gleichgesinnte also.